VERLAUFSPROTOKOLL DES FACHGESPRÄCHS IM BERLINER ABGEORDNETENHAUS


Inhalt:


Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Heiko Thomas, hat am 20.06.2012 zu einem Fachgespräch zur Situation von PsychotherapeutInnen in Ausbildung (PiAs) eingeladen.

Anzahl der Anwesenden: ca. 50 Personen (davon Großteil PiAs)

Teilnehmer: Herr Heiko Thomas (MdA im Berliner Abgeordnetenhaus, gesundheitspolitischer Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen), Herr Michael Krenz (Präsident der Psychotherapeutenkammer Berlin), Frau Meike Jäger (Landesbezirksfachbereichsleiterin für u.a. Gesundheit bei ver.di), Frau Brigitte Kemper-Bürger (Geschäftsführerin der Psychotherapeutenkammer), Herr Christoph Stößlein (Vorstandsmitglied der Psychotherapeutenkammer und Delegierter der Bundespsychotherapeutenkammer), Prof. Dr. Jürgen Gallinat (Chefarzt des St. Hedwig Krankenhauses in der Versorgungsregion Wedding), Katharina Röpcke (PiA-Vertreterin), Florentine Jurisch (PiA-Vertreterin), Julia Walendzik (PiA-Vertreterin)

Protokollantin: Inga Deutscher

Hier sind die Stellungnahmen im Original einsehbar.


Begrüßung und Vorstellung durch Heiko Thomas.

Bitte um Aufzeichnung. Keine Einwände. Überrascht über großes Interesse. Zwei Stunden vorgesehen. Vorstellung von Herrn Prof. Krenz, Frau Jäger und Prof. Gallinat. PiAs sollen selbst so viel wie möglich zu Wort kommen. Es wird drei Stellungnahmen durch PiA geben zu den Themen Qualität der Ausbildung, Vergütung der praktischen Tätigkeit und Mitgliedschaft der PiA in den Kammern mit anschließender Diskussion.

Qualitätskontrolle der Ausbildung

Stellungnahme

Julia Walendzik gibt eine Stellungnahme zum Thema Qualitätskontrolle der Ausbildung von PiAs.

  1. Qualität der Ausbildung: Die Aufsicht über die Ausbildungsinstitute haben die Landesbehörden für Gesundheit. Qualitätsstandards sind im Therapeutengesetz manifestiert, werden aber auch von den Kammern formuliert. Wie sieht das in der Praxis aus? Es besteht der Eindruck, dass Landesbehörden mit der Qualitätskontrolle überfordert sind. Wie bindend sind die gesetzten Qualitätsstandards? Wie können und werden diese kontrolliert? Wie weit ist fachliche Qualifikation in den Landesbehörden für die Kontrolle gegeben? Ausbildungsinstitute haben selbst Qualitätsstandards, die allerdings nicht bindend sind. Welche Auswirkungen hat das für den Berufsstand?
  2. Ausbildungsgebühren: Es gibt keine Auskunft der Institute über die Verwendung der Ausbildungsgebühren. Wo fließen die Gelder hin? Was sehen die Beteiligten für Möglichkeiten, um Informationen über die Preisentstehung zu bekommen? Wie gerecht ist das System der Ausbildungsgebühren?
  3. Demokratische Vertretung der Auszubildenden in den Instituten. Diese ist in allen Ausbildungsstätten unterschiedliche geregelt. Es besteht keine Verpflichtung dazu.
  4. Konkurrenz zwischen den Instituten. Jedes Institut verfügt über unterschiedliche Aufnahmekapazitäten von Auszubildenden. Welche Vor- und Nachteile sehen die Teilnehmer an der Privatwirtschaftlichkeit der Institute? Und welche Auswirkungen hat diese Tatsache auf die Qualität der Ausbildung?

Diskussion

Herr Prof. Krenz sieht sich in einer schwierigen Situation, da die Psychotherapeutenkammer keine Verknüpfung mit den Instituten hat. Es gibt nur eine Fachaufsicht über die psychologischen und psychotherapeutischen Kollegen und Angestellten. Das Thema wurde bereits zur Diskussion an das Gremium der staatlich anerkannten Institute weitergegeben. Es besteht ein intensiver Kontakt zu den Instituten (mehrmalige Treffen im Jahr). Was im Einzelnen an den Instituten passiert, ist der Kammer jedoch nicht bekannt. Herr Krenz ist selbst in der Ausbildung tätig (Vertreter der psychodynamischen Verfahren). In seinem Institut bekommen die PiAs fast den kompletten Betrag, der von den Krankenkassen erstattet wird, außer das Gehalt für die Sekretärin und die Verwaltung (15% gelangt zu den Krankenkassen). Es gibt nicht nur einen staatlichen Rahmen an Kriterien bezüglich der Prüfungen. Die Anforderungen an die eigenen KanditatInnen gehe über den Master hinaus und die Qualität ist sehr gediegen.

Herr Prof. Gallinat hat den Eindruck, dass das Bildungsniveau der PiAs, die in seiner Praxis arbeiten, gut ist. Das St. Hedwig Krankenhaus ist eine besondere Klinik, mit besonderen Anforderungen(Psychiatrie in Wedding). 1200 Stunden sind von den PiAs im Rahmen der Ausbildung in einem Krankenhaus abzuleisten (ca.7-12 Monate). Nach seiner Meinung könnte diese Anzahl an Stunden erheblich gesenkt werden (800 Stunden oder weniger), da Anforderungen an jedem Krankenhaus unterschiedlich und nur ein kleiner Teil der zukünftigen Arbeit sind.

Herr Prof. Krenz merkt an, dass die Ausbildungskriterien vor sehr langer Zeit entwickelt wurden und eine enorme Wandlung des Berufs statt gefunden hat. Es gibt heute mehr Aufgabenbereiche. Aber es fehlt an Qualifizierung, die eingeführt werden müssen.

Frau Jäger merkt dazu an, dass schon viele Beschwerden über die Qualität der Ausbildung zu ihr gelangt sind. Es fehlt an Begleitung und viele PiAs fühlen sich allein gelassen. Begleiter sind selbst stark im Einsatz und die PiAs müssen selbst sehr viel Verantwortung übernehmen. Im Psychotherapeutengesetz wird eine adäquate Betreuung verlangt, welche durch viele Institute nicht erfüllt wird, da oft zu viele PiAs angenommen werden, die dann sich selbst überlassen werden. Frau Jäger macht darauf aufmerksam, dass man nichts zum Thema Bedarfsermittlung oder Begrenzung der Ausbildungsplätze findet.

Hr. Stößlein betont, dass die Ausbildungslandschaft sehr komplex ist und sich die Institute in u.a. Mitgliederinstitute (Herr Krenz hat von diesen gesprochen), gemeinnützige Institute, Uni-Institute und ökonomische Institute unterscheiden lassen.

Mitgliederinstitute sind Institute, die i.d.R. analytisch, tiefenpsychologisch fundiert ausbilden. Dafür schließt sich eine Gemeinschaft zusammen und bietet Fortbildung und Ausbildung an. Er ist selbst Mitglied an einem Institut und zahlt eine hohe Mitgliedsgebühr (jährlich ca. 500€) zum Sponsering der Ausbildung. PiAs bekommen 100% des Kassenhonorars, wovon eine Verwaltungspauschale oder Semestergebühr abgeht. Sie zahlen die Lehrtherapie und Supervision selber, welche bei anderen Instituten in dem Ausbildungsbeitrag enthalten ist. Außerdem müssen sie sich eigene Praxisräume anmieten. Niemand von den Institutsmitgliedern verdient dabei etwas.

Gemeinnützige Institute investieren Gewinne in den Ausbildungsbetrieb. Uni-Institute haben andere Qualitätsmaßnahmen. Sie sind relativ neu und wesentlich transparenter. An allen großen Unis werden Ambulanzen eingerichtet.

Ausschließlich ökonomische Institute arbeiten rein privatwirtschaftlich. Diese ziehen Geld aus der Ausbildung.

Es gibt eine gute Gemeinschaft der Ausbildungsinstitute und einen Zusammenschluss der staatlich anerkannten Ausbildungsinstitute. Er spricht die Empfehlung aus auch mit diesen Kontakt aufzunehmen. Außerdem ermutigt er alle angehenden PiAs, sich über folgende Fragen zu erkundigen: Gibt es Vertreter von Ausbildungsteilnehmern? Gibt es ein Mentorenprogramm? Mit welchen Kliniken kooperiert das Institut? Wie ist die Praxisbetreuung geregelt? Abschließend empfiehlt er die Konkurrenz der Ausbildungsinstitute zum eigenen Vorteil zu nutzen.

Erfahrungsberichte von der Ausbildung aus den Reihen der anwesenden PiAs. 1.Bericht: Die PiA ist an einem Mitgliederinstitut und musste Supervision, Semestergebühr, etc. selber bezahlen. Ihres Wissens bekommt das Institut von dem Geld nichts. Allerdings gibt es keine Kontrolle darüber, was PiAs in den Kliniken wirklich lernen.

Herr Prof. Gallinat bestätigt, dass an seiner Klinik nicht kontrolliert wird. Supervision und dergleichen ist der Willkür der Kliniken überlassen. Wenn es nach ihm ginge, könnten die Institute ihm gern „auf die Finger gucken“ oder Mindeststandards aufstellen. Wenn schon kein Geld von der Klinik gezahlt wird, sollte diese wenigstens zur Qualität der Ausbildung beitragen. Die Frage ist, in welcher Form man das strukturieren kann.

2.Bericht: PiAs sind nicht Bafög berechtigt und sie selbst muss monatlich 500€ aufbringen, was ohne Unterstützung der Familie und mit Hilfe eines Studienkredits nicht möglich wäre. Ihrer Meinung nach ist es kein Wunder, dass viele TherapeutInnen frühberentet werden müssen. Auf Grund dieser schweren Lage, treten viele PsychologiemasterabsolventInnen die Ausbildung gar nicht an, sondern schlagen sich als Sozialpädagogen durch. Die Psychotherapie scheint lediglich eine Berufsmöglichkeit für Leute mit reichen Eltern oder partnerschaftlicher Unterstützung zu sein.

3.Bericht: Der Ausbildungsaspekt wird in der Krankenhausarbeit vernachlässigt. 0 Kontrolle, 0 Kommunikation. Privatwirtschaftliche Institute sind auf Grund von fehlender Transparenz bedenklich.

Nachfrage an Herrn Prof. Krenz von Frau Jäger, ob es war sei, dass PiAs bei der Regelung im Psychotherapeutengesetz vergessen wurden? Sie habe das Gefühl, dass es einen Systemfehler bei der Regelung gegeben habe. Nach dem Studium befinden sich die meisten AbsolventInnen in einem Alter, in dem Familie gegründet wird, was finanziell aber nicht möglich ist. Es besteht die Überlegung das Psychotherapeutengesetz zu ändern.

Heiko Thomas fügt dem die Frage hinzu, inwieweit die Bund-Länder-Arbeitsgruppe und speziell das Land Berlin über Qualitätsfragen mitdiskutiert.

Herr Prof. Krenz erläutert seine eigenen Ausbildungserfahrungen. Die Ausbildung konnte nur gemacht werden, wenn vorab wenigstens 2-3 Jahre mit Patienten gearbeitet wurde. Außerdem musste unterschrieben werden, dass während der Ausbildung zur Selbstfinanzierung gearbeitet würde. Bis zum Psychotherapeutengesetz musste alles selbst finanziert werden. Heutiger Unterschied ist, dass es keine festen Stellen mehr gibt. Es gibt zwei grobe Reformtendenzen des Psychotherapeutengesetzes. Nach den Vorstellungen des BMG soll die Ausbildung analog zur ärztlichen (Direktausbildung) nach dem SGB V verlaufen oder nicht mehr als Ausbildung sondern Weiterbildung gelten, damit sich der Status der PiAs verändert. Noch wird diskutiert, ob es Modellversuche geben soll. Auf Länderkammer- sowie Bundeskammerebene ist eine Novellierung des Psychotherapeutengesetzes gefordert.

Frau Brigitte Kemper-Bürger greift das Thema Berufsorientierung auf und bemängelt die fehlende realistische Informierung über den Arbeitsmarkt. Oft besteht der Traum von einem vollen eigenen Kassensitz. Es kommt immer mehr zu einer Abschmelzung von Kassensitzen gerade auf Grund von einer Überversorgung an PiAs. Darauf sollten auch die Institute reagieren und Entscheidungshilfe geben.

Heiko Thomas schlägt vor weitere Gespräche in Bezug auf die Bund-Länder-Arbeitsgruppe und die Einflussmöglichkeiten zu führen. Wie wollen die Beteiligten weiter vorgehen um eine Novellierung des Psychotherapeutengesetzes zu erwirken. Er wird sich selbst weiter darüber informieren wie es in Berlin mit der Kontrolle der Ausbildungsqualität aussieht. Abschließend fordert er die anwesenden PiAs dazu auf sich auch an die LAGeSo zu wenden (federführende Aufsichtsbehörde).

(1 Stunde)


Mitgliedschaft der PiA in der Psychotherapeutenkammer

Stellungnahme

Katharina Röpcke gibt eine Stellungnahme zum Thema Mitgliedschaft der PiAs in der Psychotherapeutenkammer.

2100 PiAs sind über die Institute ohne wirklichen Zugriff verstreut. Wie können sich PiAs untereinander oder auch mit approbierten Kollegen austauschen und auch einbringen, besonders in Bezug auf die Ausbildungsbedingungen? In dem Zusammenhang gab es eine Umfrage, die von der Psychotherapeutenkammer initiiert wurde. Trotz der Kenntnis darüber, dass die Verwaltungskapazitäten der Kammer beschränkt sind, wird eine Pflichtvollmitgliedschaft für PiAs ab dem ersten Ausbildungsjahr gefordert. Um die PiAs als PiAschaft wahrzunehmen, sieht sie die Kammer in der Verantwortung und keine andere Möglichkeit als die Gestattung der Vollmitgliedschaft, um eine demokratische Willensbildung zu ermöglichen.

Wie ist der Diskussionsstand in der Kammer? Wie steht es um eine Berufsaufsicht über die Tätigkeiten der PiAs?

Diskussion

Herr Krenz betont, dass die Kammer seit Jahren an dem Thema, wie sie Kontakt zu den PiAs bekommt, arbeitet. Es wurde haben mit der Gastmitgliedschaft der PiA begonnen, weil darin die einzige Möglichkeit gesehen wurde. Dies ist allerdings wenig auf Resonanz gestoßen (24-26 Mitglieder). Aus diesem Grund wurde mit der Hilfe der Institute durch eine Befragung versucht an die PiAs heranzutreten. Fragen waren u.a., ob die PiAs eine Vertretung haben wollten und welches Modell sie sich vorstellen könnten. Es bestand die Möglichkeit, dass die PiAs eigene Modelle vorschlagen. Letztendlich gab es eine 5%ige Beteiligung mit einem sehr heterogenen Ergebnis. Einen Datensatz aller PiAs gibt es nicht. Für eine Veränderung und die Aufnahme der PiAs in die Kammer ist zuerst eine Novellierung des Psychotherapeutengesetzes nötig. Frau Lompscher hat dies zu Beginn der letzten Legislaturperiode angekündigt, ohne dass dies Folgen hatte. Formal gibt keinen Handlungsspielraum. Am kommenden Dienstag fände eine Delegiertenversammlung statt, in welcher das Thema PiA-Mitgliedschaft und deren Ausgestaltung auch wieder Thema sein solle.

Heiko Thomas erklärt, dass er den Antrag auf eine Gesetzesänderung gerne einbringt, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass dies auch von der Mehrzahl der Betroffenen gewollt ist. Wenn eine gemeinsame Gesetzesvorlage zustande kommt, sei er gern bereit, sich dafür einzusetzen.

Frau Jaeger macht darauf aufmerksam, dass eine Vollmitgliedschaft auch mit Pflichten verbunden ist (z.B. Mitgliedsbeitrag). Diese könnte wiederum eine neue Hürde darstellen.

Herr Gallinat erklärt auf Anfrage aus dem Publikum, wie sich die Ausbildung der Ärzte von denen der Psychotherapeuten unterscheide. Im Studium absolvieren Ärzte das Praktische Jahr. Dafür sind sie zwölf Monate in Kliniken beschäftigt und machen 3x4 Monate ein Praktikum auf der Chirurgie, der Inneren und in einer Wahlklinik. Danach absolvieren sie ihr Staatsexamen und sind vollständig approbiert. Im Anschluss sind sie Assistenzärzte, die dann für volles Gehalt in der Klinik arbeiten. Der Vorteil ist, dass jeder Arzt erst ein paar Jahre in der Klinik arbeiten muss, um Facharzt werden zu können (ca. 3-8 Jahren). Größter Unterschied ist das Assistenzarztgehalt. Erst nach dem Erwerb des Facharztstatus kann sich niederlassen. Nach dem 3. Staatsexamen ist man vollapprobiert und muss Mitglied in der Kammer werden. Der Beitrag richtet sich nach dem Gehalt. Sobald der Studentenstatus endet, beginnt der Kammermitgliedsstatus.

PiA-Zuhörerbeitrag: Anmerkungen zu der Umfrage von der die Rede war. Diese hatte einige Schwächen. Die Umfrage hat nicht alle PiA erreicht, da sie nicht an alle Institute verschickt wurde (Grund für geringe Beteiligung). Fragestellungen waren nicht vollständig neutral. Die Frage nach dem Interesse der Einrichtung einer PiA-Vertretung war irreführend, weil es bereits eine PiA-Vertretung gibt. Im Moment betragen die Kosten für eine PiA-Gastmitgliedschaft 45€ pro Jahr, was evtl. abschreckend für Nicht-Verdiener sei. Es gab ehemals die Idee einer Patenschaft, bei der Vollmitglieder eine Patenschaft für eine PiA übernehmen und deren Beitrag sponserten.

Herr Stößlein antwortet darauf, dass immer viel Werbung für die Patenschaft gemacht wurde, allerdings wenig Beteiligung stattgefunden hat. Auf der Delegiertenversammlung wird morgen ein Antrag eingereicht, in dem gefordert wird, dass der Gastbeitrag von 45€ auf 15€ gesenkt werden soll. Für ihn stelle sich die Frage, wer die Berufsaufsicht über die bereits behandelnden PiAs habe? Die Hauptaufgaben der Kammer sind die Berufsaufsicht über die Kammermitglieder, deren Fort- und Weiterbildung sowie die Vertretung der berufspolitischen Interessen in der Öffentlichkeit. Gilt die Berufsordnung auch für die PiA oder fehlt an der Stelle einfach die politische Regelung? Das Problem wäre gelöst, wenn PiA ab dem Ausbildungszeitraum Vollmitglieder in der Kammer wären. Aus juristischer Sicht ist es zwangsläufig.

Florentine Jurisch fragt, ob es von der Kammerseite aus Hochrechnungen über die anfallenden Kosten für die Kammer bei Vollmitgliedschaft aller PiA gibt, um zu wissen, auf wie hohe Kosten sich jede PiA für eine Mitgliedschaft einstellen müsste.

Frau Kemper-Bürger antwortet, dass es im Grunde drei Stellen bräuchte: 1. Eine Sekretariatsstelle mit zwei vollen Sekretärinnen, die alle verwaltungstechnischen Aufgaben erledigten. 2. Eine Rechtsberatung für alle möglichen Fragen. 3. Einen Veranstaltungsbereich für Weiterbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen. Von anderen Kammern ist bekannt, dass diese ca. 120€ Beitrag pro Jahr fordern. Freibeiträge würden bedeuten, dass die anderen Kammermitglieder die Mitgliedschaften der PiA subventionieren müssten, was vermutlich auf erhöhten Widerstand treffen würde, da schon bei der letzten Erhöhung der Beiträge viel Protest aufgekommen sei.

Katharina Röpcke möchte daran erinnern, dass die PiAs auch Kollegen sind. Sie fügt die Frage hinzu, ob die Institute abhängig von der Anzahl ihrer Auszubildenden nicht auch einen Beitrag für eine Mitgliedschaft zahlen könnten. Eine Sonderbehandlung der PiAs sei nicht erstrebenswert, da PiAs in der Lage wären entscheidende Impulse für den Beruf des Psychotherapeuten zu geben. Unter derzeitigen Arbeitsumständen seien die PiAs jedoch an jeder Stelle gehandicapt. (Applaus)

Heiko Thomas geht darauf ein, dass es nicht in jedem Fall besser sei, die Kammern abzuschaffen und der Politik die Regelungen zu überlassen. Aus eigener Erfahrung sei ihm bekannt, dass die Qualitätskontrolle oft zu wünschen übrig ließe. Wofür er sich gerne weiterhin einsetzen möchte. Er gibt zu bedenken, dass Pflichtmitgliedschaften mit Vorsicht zu genießen seien.

Herr Krenz ergänzt zur Rolle der Kammern, dass sie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit eine Behörde sei, die von den Mitgliedern finanziert würde. Sie ist nicht primär von der Satzung her eine Serviceeinrichtung. Die Kammer versteht sich nicht nur als Vertreter von Standesinteressen, sondern hat auch eine Patienten- und Versorgungsorientierung. Die Mitglieder zahlen für ihre eigene Qualitätssicherung. Dies sei allerdings sehr schwer nach außen hin zu vermitteln.


Finanzielle Situation in der praktischen Tätigkeit

Stellungnahme

Florentine Jurisch gibt eine Stellungnahme zum Thema finanzielle Situation in Bezug auf finanzielle Engpässe der PiAs und Ausbeutung der Arbeitskraft von Seiten mancher Krankenhäuser.

PiAs zahlen zwischen 20.000€ und 40.000€ abhängig davon welche Ausbildung sie antreten. Es gibt die praktische Tätigkeit von 1800 Stunden in der Klinik und 600 Stunden in der Ambulanz, die abgeleistet werden müssen. Bezahlt werden in der Regel nur die 600 Stunden in der Ambulanz, wovon die Ausbildungsinstitute unterschiedlich Anteile einbehalten. Das Institut der B.A.P. behält 31% einbehalten davon ein, was eine PiA verdienen würde. Tätigkeiten in den Kliniken werden in Berlin meist nicht bezahlt. Bei Vivantes verdient eine PiA seit dem letzten Jahr 2011 ca.400€, bei der Charité jedoch noch nichts. Leistet eine PiA ihre Stunden in einer tiefenpsychologischen Ausbildung an der Charité ab, erwirtschaftet sie in 3 Jahren 2.700€ Gewinn, wobei ca. 30.000 Schulden und ohne die Lebenserhaltungskosten mitzuzählen, anfallen. Nach einer Studie werden 0,7 % der PiAs mit Bafög unterstützt.

Das bedeutet, dass PiAs mit sehr hohen Schulden ins Berufsleben starten oder nur die PiAs eine Chance haben, die einen guten finanziellen Background haben. Es stellt sich die Frage, ob ein einheitliches Bild in der Berufsgruppe gewollt ist? Sind die Patienten nicht auch Menschen, die aus unterschiedlichen sozialen Schichten stammen? PiAs nehmen während ihrer Ausbildung bereits viel Arbeit ab. An Herrn Gallinat werden die Fragen gestellt, ob die Arbeit von Assistenzärzten mit der Arbeit von PiAs vergleichbar wären und ob eine Möglichkeit gesehen wird, dass verschiedene Finanzierungswege entwickelt werden. Abschließend wird die Frage aufgeworfen, ob die Klinik Gewinn mit der Arbeit von PiAs macht, weil die Arbeit nicht von den Krankenkassen abgerechnet wird?

Diskussion

Herr Gallinat erklärt, dass derzeit ca. 16 PiAs auf 6 Stationen in seiner Klinik arbeiteten und von ihnen Patienten sowie Kollegen profitieren würden. In der Charité wird aktuell diskutiert ein Gehalt an die PiAs zu zahlen (voraussichtlich weniger als bei Vivantes). Als Chefarzt hat er die Budgethoheit. Er erhält das Geld nach der PsychPV-Bemessung. Auf einer Station gibt es 27 Betten, wofür 3,0 Ärzte und 0,4 Psychologen zugeteilt werden. Sieht man PiAs als vollwertige Angestellte an, könnte man, wenn eine Psychotherapeutenstelle frei wird, diese mit einer PiA besetzen. Ungefähr in zwei Jahren wird eine halbe Stelle frei. Kliniken können also unmöglich die Vielzahl von PiAs finanzieren. Wenn hochgerechnet wird, dass zehn PiAs an einer Klinik arbeiten und 400€ verdienen, dann sind das im Jahr ca. 48.000€. Das ist in Etwa ein wenig unter der Bemessung einer vollen Psychologenstelle. Es ist sehr klinikabhängig, ob eher ein Arzt oder ein Psychotherapeut eingestellt werden würde.

Die Kliniken verdienen nicht direkt an den PiAs, da die Kliniken die Patienten nach Tagen abrechnen, ob die Patienten den Arzt, eine PiA oder einen Psychologen an einem Tag gesehen haben oder nicht. Mit PiAs lässt sich die Qualität einer Klinik verbessern, aber nicht deren Einnahmen. Mit dem neuen System der Abrechnung (OPS), welches in den kommenden Jahren eingeführt wird, wird es Einzelabrechnungen geben, bei denen psychotherapeutische Leistungen auch abgerechnet werden (25 Minutenblöcke). Allerdings findet nur eine Umverteilung des Geldes und keine Erhöhung statt. In Diskussion mit den Krankenkassen bleibt die Frage bestehen, ob die PiAs überhaupt abrechnen dürfen, da sie nach wie vor nicht fertig sind. Wenn PiAs abrechnen dürften, würden sie für Krankenhäuser wieder interessanter werden. Seiner Meinung nach, würden die PiAs „nach Hause“ gehen müssen, wenn die Krankenhäuser gezwungen werden sollten, volle Gehälter zu zahlen. Kliniken würden nicht zusammenbrechen. Krankenkassen, Institute oder der Staat müssten mit einbezogen werden.

Frau Jurisch verweist auf den Anfang der Diskussion und betont, dass ökonomische Ausbildungsinstitute ein gewisses Überangebot schaffen, welches zu dieser verfahrenen Situation der PiAs führt. In dem Zusammenhang stellen sich die Fragen, ob es eine Begrenzung geben sollte und wer die PiAs bei den Krankenkassen vertreten könnte?

Frau Jäger wirft noch eine weitere Problematik zum Status der PiAs am Arbeitsplatz auf. Auszubildende haben einen Ausbildungsvertrag. PiAs haben lediglich einen Vertrag mit dem Ausbildungsinstitut und werden dann zu den ausbildenden Stellen entsandt. An der ausbildenden Stelle haben sie lediglich einen Anwesenheitsstatus. Die vorliegenden Verträge sichern nur, dass sich die PiAs auf dem Gelände aufhalten dürfen. Manche haben gar keinen Vertrag. Wieder andere haben Arbeitsverträge, in denen festgeschrieben wird, welche Leistungen sie erbringen sollen. Es gibt keine Anhörungen beim Betriebsrat, was bei jeder anderen Anstellung der Fall ist. Die Betriebsräte sind in der Regel überhaupt nicht darüber informiert, wie viele PiAs in der Klinik arbeiten, geschweige was und wo sie arbeiten und wer sie begleitet usw. Demzufolge muss in manchen Kliniken erst einmal ein Problembewusstsein geschaffen werden. Bald gibt es ein Treffen mit dem Betriebsrat von Vivantes. Dieser fühle sich jedoch mit der Problematik ebenfalls völlig überfordert.

Mehrere Beiträge von anwesenden PiAs zu deren Lage.

Herr Stößlein erläutert die zwei Themen Vertragsgestaltung und Betreuung der PiAs. Zwei Empfehlungen der Kammer: 1. Musterrahmenvertrag für die praktische Tätigkeit in der Klinik 2. Currikulum für PiAs, Supervision etc. betreffend (zu finden auf der Homepage der Kammer)

Florentine Jurisch wirft die Frage auf, ob es nicht sinnvoll wäre, die Pflichtstunden entschieden zu senken und denen der auszubildenden Ärzte anzupassen.

Herr Gallinat erklärt, dass die Summe der Pflichtstunden der Ärzte sich nicht bedeutend von denen der PiAs unterschieden, jedoch die Ärzte diese im Studentenstatus ableisteten.

Die Geschäftsleitung verhandelt bereits mit den Krankenkassen. Doch diese berufen sich auf das PsychPV. Die PiAs existieren in diesem System nicht. Die psychologische Bemessung ist seiner Meinung nach viel zu gering. An vielen Kliniken ist es falsch wesentlich mehr Ärzte als Psychotherapeuten zu haben. Er betont, dass die psychischen Erkrankungen nicht zugenommen haben. Lediglich die Diagnosen haben sich verschoben. Es gibt eine vermehrte Berentung auf Grund psychischer Störungen, aber diese sei auf eine veränderte Bewertung zurückzuführen.

(2 Stunden)


Abschlussrunde

Eine Nachfrage an Herrn Gallinat und ein Vorschlag aus dem Publikum.

Frau Katharina Röpcke beschreibt noch einmal die schwierige Lage auch zwischen den Kollegen und das fehlende Zugehörigkeitsgefühl der PiA in den Kliniken. Verantwortung kann nur adäquat übernommen werden, wenn PiAs den passenden Status auf der Station im Rahmen einer Stelle hätten. Ohne einen festen Status gibt es auch keine entsprechende Integration. Das ist für sie das Frustrierende an der Situation, da Fähigkeiten und Lernwille vorhanden sind, jedoch die Ressourcen fehlen. Unter diesen Umständen ist jedoch eine Kooperation zwischen Psychotherapeuten und Ärzten gar nicht umzusetzen. Vielleicht ließe sich die Ausbildung wie bei den Ärzten auch irgendwann refinanzieren. Sie erinnert an die ethische Verantwortung der Klinik, von welchen sich die PiAs ausgebeutet fühlen. (Applaus)

Herr Gallinat stimmt zu, dass die Zusammenarbeit, das Arbeitsklima und Solidarität das A und O in der Psychiatrie und Psychotherapie seien. In seiner Klinik versuche man dies über die Qualität und Supervision zu gewährleisten. Er sieht eine Lösung darin, ein 12 monatiges Praktikum während des Studiums einzuführen, um danach voll approbiert zu sein.

Herr Krenz sagt, dass die Diskussion zur Direktausbildung noch am Anfang stünde. Es gibt einige standespolitische Probleme von Seiten der Ärzte und auch noch keine fertigen Konzepte.

Frau Jäger formuliert abschließend den Wunsch, dass die diskutierten Themen in die Gremien gelangen sollten. Im neuen Krankenhausbeirat sollte das Thema auch aufgenommen werden. Es geht um Wahrnehmung und Wertschätzung von Menschen. Wenn die Ausbildung nicht bezahlt wird, dann sollte sie wenigstens gut sein und eine gewisse Selbstverpflichtung beinhalten.

Heiko Thomas sagt abschließend, dass 0 € für ihn nicht akzeptabel seien. Mit Briefen und Gesprächen wolle die PiAs weiter unterstützen und steht auch mit Vivantes weiter im Gespräch. Außerdem wolle er sich an die Stellen wenden, wo derzeit noch nichts gezahlt wird.