STELLUNGNAHMEN FÜR DAS FACHGESPRÄCH IM BERLINER ABGEORDNETENHAUS


Inhalt:


Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Heiko Thomas, hat am 20.06.2012 zu einem Fachgespräch zur Situation von PsychotherapeutInnen in Ausbildung (PiAs) eingeladen.

Anzahl der Anwesenden: ca. 50 Personen (davon Großteil PiAs)

Teilnehmer: Herr Heiko Thomas (MdA im Berliner Abgeordnetenhaus, gesundheitspolitischer Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen), Herr Michael Krenz (Präsident der Psychotherapeutenkammer Berlin), Frau Meike Jäger (Landesbezirksfachbereichsleiterin für u.a. Gesundheit bei ver.di), Frau Brigitte Kemper-Bürger (Geschäftsführerin der Psychotherapeutenkammer), Herr Christoph Stößlein (Vorstandsmitglied der Psychotherapeutenkammer und Delegierter der Bundespsychotherapeutenkammer), Prof. Dr. Jürgen Gallinat (Chefarzt des St. Hedwig Krankenhauses in der Versorgungsregion Wedding), Katharina Röpcke (PiA-Vertreterin), Florentine Jurisch (PiA-Vertreterin), Julia Walendzik (PiA-Vertreterin)


1. Stellungnahme: Qualität der Ausbildung

von Julia Walendzik

Liebe Anwesenden,

im Rahmen der berufspolitischen Diskussion um eine Ausbildungsreform wird häufig argumentiert, dass die Qualität der jetzigen Ausbildung und ihrer Strukturen bereits ein hohes Niveau erreicht hat. In Berlin hat der Aspekt der Ausbildungsinstitute einen besonders hohen Stellenwert, da hier 21 Institute (LAGeSo, Stand Juni 2012) angesiedelt sind.

Im Rahmen dieser Veranstaltung möchte ich Ihnen ein paar Aspekte der gegenwärtigen Ausbildung an den staatlich anerkannten Instituten ins Gedächtnis rufen und gerne mit Ihnen diskutieren, inweit dies wirklich ist Fall ist und ob es nicht doch auch Aspekte gibt, die noch verändert werden könnten, um Ausbildungsbedingungen zu verbessern.

Qualität der Ausbildung

Aufsicht über die Ausbildungsinstitute haben die jeweiligen Landesbehörden für Gesundheit. Die Kriterien für die Anerkennung eines Institutes sind relativ niedrigschwellig angelegt. Im Psychotherapeutengesetz sind zwar Qualitätsstandards für die Durchführung der Ausbildungs­abschnitte festgelegt, jedoch ist die Kontrolle dieser Standards den Landesbehörden überlassen. In der Praxis bestehen jedoch bei dem LAGeSo weder ausreichende personelle Ressourcen noch ausreichende fachliche Expertise, um diese effektiv nachprüfen zu können.

Interne Qualitätskontrollen bei den Instituten erfolgen teilweise, jedoch gibt es weder verlässliche Mindeststandards, noch eine wirksame Selbstbindung an Qualitätsstandards. Eine feste Verpflichtung zu bestimmten Methoden ist nicht gewährleistet.

Viele Aspekte der Qualitätskontrolle sind somit vom guten Willen der einzelnen Ausbildungsinstitute abhängig.

Die Psychotherapeutenkammer hat hier keine Entscheidungsmacht, da sie nicht für die Ausbildungsinstitute zuständig ist.

Frage zu diesem Punkt an das Podium: Welche Konsequenzen hat es für den Berufsstand, wenn es keine verlässlichen Qualitätsstandards gibt und die Qualität nicht kontrolliert werden? Wie kann die Qualitätssicherung stärker als Aufgabe der jeweiligen Landeskammern verankert werden? Welche Schritte sind notwendig?

Transparenz der Preise für die Ausbildung

Aufgrund der privatwirtschaftlichen Ausrichtung der Ausbildungsinstitute sind diese nicht dazu verpflichtet, ihre Kosten und die Kalkulation der Preise für die Ausbildung offenzulegen, obwohl sie einen öffentlich-rechtlichen Ausbildungsauftrag wahrnehmen.Auch werden häufig keine Informationen darüber gegeben, welche Einnahmen durch die Leistungen der PiA an psychotherapeutischen Behandlungen und damit verbundenen von den Krankenkassen vergüteten Leistungen wie der Bericht an den Gutachter.

Fragen zu diesem Punkt an das Podium: Welche Möglichkeiten sehen Sie für PiA trotz privatwirtschaftlicher Strukturen der Ausbildungsinstitute mehr Informationen über die Preisentstehung der Kosten der Ausbildung zu erfahren?

Zugang zur Ausbildung und Eignung

Nach Prüfung der formellen Kriterien für die Zulassung zur Ausbildung liegt die Entscheidungsmacht zur Auswahl der Kandidat/-innen bei den Ausbildungsinstituten. Die Eignungsprüfung der angehenden Psychotherapeut/-innen erfolgt also durch private Institute. Es liegen hier keine einheitlichen bindenden Standards für eine Eignung vor. (Wohlgemerkt: Es handelt sich hier um einen gesell­schaftlich immer wichtiger werdenden Heilberuf.) Innerhalb von Berlin gibt es (noch) informelle Berichte über Benachteiligung Homosexueller bei der Auswahl an Ausbildungsinstituten.

Frage zu diesem Punkt an das Podium:

Gibt es einen bestimmten Konsens zu Kriterien der Eignung für den Beruf?

Demokratische Vertretung von AusbildungsteilnehmerInnen in den Instituten

(Falls hier eine Begründung notwendig ist, warum eine demokratische Beteiligung an den Instituten wichtig ist, gebe ich diese gerne mündlich.) Auch hier ist die Praxis sehr unterschiedlich. Während in einige Berliner Institute bereits seit längerer Zeit Kurs- und Institutesprecher/-innen gewählt werden, ist dies in anderen immer noch nicht erfolgt. Gesetzlich sind sie dazu ja auch nicht verpflichtet, da sie private Ausbildungsinstitute sind. Hinzu kommt, dass trotz Existenz von Sprecher/-innen die Möglichkeiten der Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse im Institute wiederum sehr unterschiedlich sind. Auch hier sind die Ausbildungsteilnehmer/-innen vom Wohlwollen der Leiter/-innen der Institute abhängig. Bei zu großen auftretenden Konflikten besteht bei Teilnehmer/-innen eben das Risiko, vom Institut aus­geschlossen zu werden.

Auswirkungen der Privatwirtschaftlichkeit

Anzahl der zugelassenen PiA: Gerade in Berlin besteht aufgrund der hohen Anzahl von Instituten die Gefahr, dass zu viele psychologische Psychotherapeuten ausgebildet werden, die nachher keine Chance auf dem Arbeitmarkt haben. Konkurrenz zwischen den Instituten: Manche Aspekte der Ausbildung ( z.B. Zahl der TeilnehmerInnen, Beginn des Kurses) werden nicht offengelegt, um einen Vorteil gegenüber anderen Instituten zu haben.

Frage zu diesem Punkt an das Podium:

Welche Vor- und Nachteile sehen Sie an der Privatwirtschaftlichkeit der Ausbildungsinstitute und welche Auswirkungen hat das aus ihrer Sicht auf die Qualität der Ausbildung?


2. Stellungnahme: Mitgliedschaft von PiA in den Landespsychotherapeutenkammern

von Katharina Röpcke

Liebe Anwesenden, ich möchte die heutige Gelegenheit nutzen, um mit Ihnen über die Mitgliedschaft von PiA in der Berliner Psychotherapeutenkammer zu sprechen.

Forderung

Im März fand ein Treffen von langjährig Aktiven in der PiA-Politik statt, auf dem sich VertreterInnen aller Verbände, aller Verfahren, aller Altersgruppen und aller Bundesländer zusammenfanden. Auf diesem Treffen sprach man sich einstimmig für eine Kammer-Pflichtvollmitgliedschaft von PiA ab Ausbildungsbeginn aus.

Begründung

  1. Zuerst zu nennen ist das demokratische Mitspracherecht. PiA sind in der Profession zukünftige Kolleginnen und Kollegen, wir möchten demokratisch legitimiert an der Gestaltung unseres Berufes mitwirken können. Immerhin gibt es 2400 von uns in Berlin. Es gibt für uns jedoch bisher zu wenige Möglichkeiten, innerhalb der Selbstverwaltung des Berufsstandes unsere politischen Interessen, bspw. an der Verbesserung der Ausbildungsbedingungen, zu vertreten und auf diese hinzuwirken. Erst eine Pflichtmitgliedschaft der PiA würde dazu führen, dass wir auch als Wählerschaft, also Stimmträger/-innen erreichbar wären und mitgestalten könnten. Ich sehe hier die Kammer in der Pflicht, denn aufgrund der privaten Organisationsstruktur der Ausbildung können wir PiA uns nicht über unsere Ausbildungsinstitute als Wahl- und Entscheidungskörper konstituieren. Das Problem, die Kammer hätte Schwierigkeiten, 2400 PiA zu verwalten, kenne ich. Jedoch sind wir nun ja da, und wir haben auch in der Menge, oder gerade aufgrund unserer Menge ein Recht darauf, eine qualitativ gute Ausbildung und eine demokratisch organisierte Selbstverwaltung vorzufinden. Daher wünschen wir uns eine Anpassung der Verwaltungsvorgänge, damit wir in die Arbeit der Kammer integriert werden können.

  2. Zweitens mangelt es bisher an der Anwendung der berufsethischen Aufsicht der Kammern über die Ausbildungsmodalitäten, sowie auch über die heilberufliche Tätigkeit von PiA, obwohl PiA ab Ausbildungsbeginn unter Anleitung heilberuflich tätig sind. Diese Aufsicht könnte die Vermittlung von Informationen über die Berufsordnung und Berufsaussichten enthalten, sowie eine Beschwerdestelle und einen Schlichtungsausschuss für Konfliktsituationen. Aktuell obliegt die Aufsicht über die Ausbildungsbedingungen den Landesprüfungsämtern, welche mit dieser Aufgabe jedoch fachlich und personell an ihre Grenzen stoßen.

Ich bin mir sicher, dass man sich auch innerhalb der Kammer Gedanken über eine Verbesserung der Lage macht. Dies zeigte ja auch die Umfrage, die Anfang des Jahres stattfand, und der Vorschlag, Institutesprecher einzuführen.

Frage:

Unterstützt der Kammervorstand die Pflichtvollmitgliedschaft für PiA? Welche Perspektiven sehen Sie?


3. Stellungnahme: Finanzielle Situation der PiA

von Florentine Jurisch

Beschreibung der aktuellen Lage

Es gibt ca. 2100 PiAs in Berlin (LaGeSo, Stand 04/2011)

Die Ausbildungskosten liegen zwischen 19.000€ für Verhaltenstherapie (DGVT), 31.700 für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (BAP) und 36.000€ für analytische Psychotherapie (Alfred Adler Institut)

Die Ausbildung besteht aus 1800h praktischer Tätigkeit in externen Einrichtungen und 600 Stunden supervidierter ambulanter Therapie am Ausbildungsinstitut. Vergütung erhalten die PiAs häufig nur für die ambulanten Therapiestunden, wovon wiederum ein Anteil von den Ausbildungsinstituten einbehalten wird (z.B. 31% bei der BAP)

Die Tätigkeit in den Kliniken wird in der Regel gar nicht oder nur geringfügig bezahlt (z.B. Vivantes Kliniken Berlin 400€ monatlich, Charité 0€ monatlich1) Hierfür i.d.R. keine Finanzierung durch Bafög möglich (0,7% der PiAs erhalten Bafög2)

Fragen:

  • Inwiefern ist die Tätigkeit der PiAs mit der der Ärzte in Weiterbildung für Psychotherapie vergleichbar?
  • Inwiefern ist die Vergütung der PiAs mit denen der Ärzte in Weiterbildung vergleichbar?
  • Stellen die Krankenhäuser die von den PiAs erbrachten Leistungen den GKVen in Rechnung?
  • Was für eine Möglichkeit zur Finanzierung der PiA-Stellen an der Charité besteht Ihrer Ansicht nach?