BERUFSBILD: PSYCHOLOGISCHE/R PSYCHOTHERAPEUT/IN


Inhalt:


Wir haben uns im Frühjahr 2012 als Teil der Berliner ver.di-PiA-AG zusammengesetzt und gesammelt, was für uns den Beruf des Psychotherapeuten, der Psychotherapeutin ausmacht. Die AG bestand aus PiA aller Fachrichtungen. Folgende Elemente haben wir zusammengestellt. Weiter unten folgt die Position der BPtK.


Beziehungsgestaltung


Empathie

Verstehen, das Wahrnehmen und Verhandeln von multiplen Perspektiven, Perspektivenübernahme, drückt sich bspw. in der Therapeutischen Haltung Rogers aus, dieser hat auch eine Methode entwickelt, wie diese therapeutischen Haltung vermittelt werden kann. In der Medizin gibt es auch Ansätze, wie bspw. Patienten-orientierte Lerngruppen (poL)

heilende Beziehung

Fähigkeit zur Aufnahme, Gestaltung, Führung, Aufrechterhaltung und Beendigung einer heilenden Beziehung, sowie die Fähigkeit zum Gewahrwerden eigener Bedürfnisse und Impulse, der Kontrolle derselben.

Heilen durch Sprechen

Gestaltung der heilenden Beziehung und des Heilungsprozesses anhand eines Dialogs. Entstehenlassen eines Gewahrwerdens, Lernens, Verstehens, daraus wird eine Hilfe zur Selbsthilfe, Erlernen eines wertschätzenden Selbstumgangs, Annehmen von Schmerzen und Trauer, Verantwortungsübernahme für das eigene Wohlsein

Rahmen

Bereitstellen eines Raumes und einer Zeit für den Patienten, Halten des Patienten (nach Winnicott). Dieser Rahmen hält den Patienten, gibt etwas Äußerliches, das die therapeutische Beziehung umgibt und doch verhandelt werden kann, und ermöglicht ein Innen der therapeutischen Beziehung, in dem Veränderung versucht werden kann.

Supervision

Kenntnisse über das Anleiten von Verständigungsprozesse, Regulation von Problemen und Konflikten zwischen Menschen


Horizont


Selbstreflektion

Kenntnis der eigenen Stärken und Schwächen, Eigenheiten als Mensch, und zwar auf eine ausführliche und vertiefte Art und Weise

Methoden der Verhaltensmodifikation

Kenntnis über Methoden der Verhaltensmodifikation, sowie über die Macht der Gewohnheit und die mögliche Funktionalität von Verhaltensweisen

Individuum und Gesellschaft

Wissen um die Eingebettetheit des Individuums in seine Gesellschaft, in den kulturellen und historischen Kontext, die Gesellschaftlichkeit des individuellen Handelns, Machtverhältnisse, Hierarchien, das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft, die Gewordenheit des Subjekts

Sinn

Beschäftigung mit Sinnfragen, mit dem Menschenbild, mit Leben und Tod, Vitalität, Liebe, Destruktivität, Bedürftigkeit, Angst, sowie die Bereitschaft, einem anderen einen Raum für die Beschäftigung mit diesen Themen zu schenken.

Diagnostik

Diagnostik im engeren wie im weiteren Sinne. Psychopathologisches Wissen, eine Sprache für das psychische Erleben, die Fähigkeit, Erlebensweisen eines anderen einzuordnen und zu bewerten, Kenntnis von diagnostischen Instrumenten mit ihren Möglichkeiten und Grenzen

Entwicklung

Wissen über die Möglichkeiten und Besonderheiten der Entwicklung über die Lebensspanne, sowie über die Gewordenheit von Verhaltensweisen und Eigeneheiten und das Veränderungspotential derselben.

Breite Herangehensweise

Zusammenführen von Wissen aus Psychologie, Philosophie, Soziologie, Medizin, Neurologie, Biologie, Statistik, Pädagogik


Verhältnis von Medizin und Psychologischer Psychotherapie


Menschenbild

In der Medizin herrscht eher ein naturwissenschaftliches Menschenbild, d.h. psychische Erkrankungen sind auf physiologischer Ebene abbildbar, erklärbar, und durch Beeinflussung der Physiologie veränderbar. Die Erklärung von psychopathologischen Symptomen erfolgt über genetische Disposition und Transmittermengen im synaptischen Spalt, deren Beeinflussung bspw. durch Psychopharmaka, also einen chemischen Eingriff in das Transmittergeschehen.

Das Arzt-Patient-Verhältnis ist geprägt durch den Arzt als Wissenden und Entscheider und den Patienten als den, der compliant ist, der die Entscheidungen mit trägt, der Vereinbarungen hält, der die Anweisungen des Arztes berücksichtigt, so gut er kann.

Unter Psychologischen Psychotherapeuten herrscht ein Menschenbild, das den Menschen als Lernenden und selbstverantwortlich Handelnden hervorhebt. d.h. psychische Erkrankungen, bspw. Erlebensweisen beruhen auf einer Lerngeschichte, die Beeinflussung derselben geschieht über das Einräumen der Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen, sowohl im Zwischenmenschlichen, als auch im schlichten Explizieren und Ausprobieren von neuen konkreten Verhaltensweisen.

Wissensvermittlung

Ärzte haben eine klare und transparente Struktur, wer mit welchem Ausbildungsgrad welche Dinge lernen soll, entscheiden darf, wieviel Verantwortung er tragen darf, und wen er im Zweifelsfall fragen muss. Diejenigen mit höherem Ausbildungsgrad übernehmen explizit die Verantwortung für die Entscheidungs- und Behandlungsqualität ihrer Lehrlinge. Die Lehrlinge unterwerfen sich dafür der Entscheidungsbefugnis ihrer Lehrer. Dies ist bekannt als die strenge Hierarchie in Krankehäusern. Das Wissen wird in staatlichen Institutionen (Uni) und am Arbeitsplatz vermittelt.

Unter Psychologischen Psychotherapeuten gibt es eine enge Begleitung in der zweiten Hälfte der Ausbildung in Form von Supervision der ersten eigenen Therapien. Eine differenzierte Definition davon, was man mit welchem Ausbildungsgrad darf oder nicht, gibt es nicht. Das Wissen wird in privaten Instituten und gegen Honorar vermittelt.


Position der BPtK zum Berufsbild


Fachlich-konzeptionelle psychotherapeutische Kompetenzen (aus dem Positionspapier der BPtK zu den Kernkompetenzen von PsychotherapeutInnen, zitiert nach Strauß et al. 2009:358)

  • Kenntnisse über wissenschaftlich begründete psychotherapeutische, psychologische, biologische und soziologische Modelle psychischer Erkrankungen und anderer Erkrankungen, bei denen Psychotherapie indiziert ist, ihre Entstehung, Verbreitung und Verlauf sowie ihre Prävention, Behandlung und Rehabilitation

  • Kenntnisse verschiedener Versorgungsbereiche, ihrer Aufgaben, Vernetzung und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie Fertigkeiten zur Kooperation mit anderen Gesundheitsberufen

  • Fähigkeiten und Fertigkeiten, die kognitive Komplexität und Mehrdeutigkeit menschlichen Erlebens und Verhaltens unter Berücksichtigung des kognitiven und sozio-emotionalen Entwicklungsstandes, des sozialen und kulturellen Hintergrundes sowie unter Gender-Aspekten zu analysieren, zu diagnostizieren, zu begutachten und Indikationen zu stellen

  • Fähigkeiten und Fertigkeiten in der kritischen Rezeption und Anwendung wissenschaftlich begründeter psychotherapeutischer Behandlungsverfahren, -methoden und -techniken sowie anderer psychologischer Interventionen in Prävention, Behandlung und Rehabilitation zur Ressourcenaktivierung, Problemaktualisierung, Hilfe zur Problemklärung und -bewältigung, Sinnfindung, Verhaltensänderung

  • Fähigkeit, implizites Wissen und Erfahrungen im psychotherapeutischen Prozess zu nutzen

  • Fähigkeit zu differenzierten therapeutischen Entscheidungen im therapeutischen Prozess

  • Fähigkeit zur und Reflexion der Verknüpfung von individueller personaler Kompetenz und Behandlungskonzept (z. B. bei der Wahrnehmung und Interpretation von Affekten, Verhaltensmustern, kommunikativen und Beziehungsstrukturen, siehe hierzu auch self-awareness, mindfulness).


Definitionen

Entnommen aus dem Forschungsgutachten von Strauß et al. 2009:376


Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie (WBP) hat in dem derzeit gültigen Methodenpapier (Version 2.6.1 vom 26.03.2009; WBP, 2009) eine Unterscheidung getroffen zwischen Psychotherapieverfahren und einer Psychotherapiemethode (und einer Psychotherapietechnik). Die entsprechenden Definitionen lauten wie folgt:

„Psychotherapie-Verfahren

Ein zur Krankenbehandlung geeignetes Psychotherapie-Verfahren ist gekennzeichnet durch eine umfassende Theorie der Entstehung und Aufrechterhaltung von Krankheiten und ihrer Behandlung beziehungsweise verschiedene Theorien der Entstehung und Aufrechterhaltung von Krankheiten und ihrer Behandlung auf der Basis gemeinsamer theoretischer Grundannahmen, und eine darauf bezogene psychotherapeutische Behandlungsstrategie für ein breites Spektrum von Anwendungsbereichen oder mehrere darauf bezogene psychotherapeutische Behandlungsmethoden für ein breites Spektrum von Anwendungsbereichen, und darauf bezogene Konzepte zur Indikationsstellung, zur individuellen Behandlungsplanung und zur Gestaltung der therapeutischen Beziehung.“

Die vom wissenschaftlichen Beirat anerkannten Verfahren sind derzeit die psychodynamische Psychotherapie, die Verhaltenstherapie, die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie sowie die systemische Psychotherapie.

„Psychotherapie-Methode

Eine zur Behandlung einer oder mehrerer Störungen mit Krankheitswert geeignete Psychotherapiemethode ist gekennzeichnet durch eine Theorie der Entstehung und der Aufrechterhaltung dieser Störung bzw. Störungen und eine Theorie ihrer Behandlung, Indikationskriterien einschließlich deren diagnostischer Erfassung, die Beschreibung der Vorgehensweise und die Beschreibung der angestrebten Behandlungseffekte.“

Zu den vom wissenschaftlichen Beirat als wissenschaftlich anerkannten Methoden gehört zum Beispiel die Eye-Movement-Desensitization and Reprocessing-Therapie (EMDR).

„Psychotherapie-Technik

Eine psychotherapeutische Technik ist eine konkrete Vorgehensweise, mit deren Hilfe die angestrebten Ziele im Rahmen der Anwendung von psychotherapeutischen Methoden und Verfahren erreicht werden sollen, z. B. im Bereich des psychodynamischen Verfahrens: die Übertragungsdeutung zur Bewusstmachung aktualisierter unbewusster Beziehungsmuster, oder in der Verhaltenstherapie: Reizkonfrontation in vivo.“ (WBP, 2007; S. 4/5).

Im weiteren führt der WBP aus, dass künftig – orientiert an den im Methodenpapier formulierten Standards – die wissenschaftliche Anerkennung eines Psychotherapieverfahrens oder einer eigenständigen Psychotherapiemethode für jeweils einen der Anwendungsbereiche der Psychotherapie bei Erwachsenen sowie Kindern und Jugendlichen festgestellt werden kann.

Da nach dem jetzt gültigen Methodenpapier sowohl die Anerkennung von Verfahren als auch von Methoden im oben beschriebenen Sinne erfolgen kann (möglicherweise auch solcher, die sich in einer Erprobung befinden, s.o.), wird eine entsprechende Änderung von § 1 Abs. 3 PsychThG empfohlen. Diese Empfehlung wird verknüpft mit dem Expertenvorschlag, die Begriffe „Prävention“ und „Rehabilitation“ in die Formulierung des Paragraphen mit aufzunehmen.